Lektion Eins

 

Beren beschafft einen Silmaril wieder - Eissmann

 

Die Laute des Quenya
Aussprache und Betonung
Zusammenfassung und Übungen

 

Hinweis: Lektion Eins ist identisch mit den unter dem Link Aussprache angegebenen Texten in der Navigationsleiste. Dort sind jedoch zahlreiche Hörbeispiele zur Anleitung vorhanden!

Einleitung

Quenya existiert in unserer (irdischen) Welt hauptsächlich als eine schriftliche Sprache: Quenya-LiebhaberInnen neigen dazu, weit verstreut zu leben und ihre Werke im allgemeinen nur mittels eines schriftlichen Mediums auszutauschen (tatsächlich wäre es sinnvoller, von Quenya-Schreibern als -Sprechern zu reden). Nichtsdestotrotz sollten Lernende des Quenya verständlicherweise wissen, welche Aussprache Tolkien vorsah, jedenfalls soweit, wie man dies heute noch nachvollziehen kann.

Leider existieren nur sehr wenige Aufnahmen von Tolkien, in denen er Quenyatexte vorliest. In einem späten Fernsehinterview spricht er die Begrüßung elen síla lúmenn’ omentielvo. Noch beachtenswerter sind seine beiden unterschiedlichen Tonaufnahmen des Namárië (gesungen und gesprochen). Die gesprochene Version ist im Internet unter "Poem in Elvish" zugänglich. Einige Zeilen dieser Version des Namárië unterscheiden sich übrigens von ihren HdR-Gegenstücken: Die aufgezeichnete Version lautet inyar únóti nar ve rámar aldaron / inyar ve lintë yulmar vánier statt yéni únótimë ve rámar aldaron! / yéni ve lintë yuldar (a)vánier im HdR. Die Aufzeichnung wurde allerdings vor der Veröffentlichung des Buchs gemacht (und damit vor den letzten Überarbeitungen).

Die wenigen umfangreicheren Tonaufnahmen sind zwar interessant, aber nicht unsere Hauptinformationsquelle. Das meiste, was wir über die Aussprache des Quenya wissen, basiert auf den schriftlichen Notizen Tolkiens, in denen beschrieben wird, wie seine Sprachen ausgesprochen werden sollen. Die wichtigste Quelle hierfür ist Anhang E des HdR. (Tatsächlich entspricht Tolkiens Aussprache auf den Aufnahmen nicht immer seinen eigenen praktischen Anweisungen, aber schließlich war Quenya auch nicht seine Muttersprache.)

Jede natürliche Sprache hat ihre individuelle Phonologie, d.h. eine Reihe von Regeln, die bestimmen, welche Laute gebraucht werden, wie sie variieren und wie sie kombiniert werden dürfen. Dies gilt für jede gutkonstruierte Kunstsprache ebenso. Quenya ist definitiv keine halb zufällig zusammengewürfelte Ansammlung von Lauten; Tolkien entwarf seine Phonologie sehr sorgfältig – sowohl als ein sich entwickelndes Ganzes (die graduelle Evolution des Primitiven Elbischen zum Klassischen Quenya) als auch als "feste" Form (die Form von Quenya, die als Sprache der Weisen und der Zeremonien in Mittelerde gebraucht wird). Tolkien ließ Pengolodh, den Weisen von Gondolin, beobachten, dass elbische Sprachen relativ wenige Laute gebrauchen – "for the Eldar being skilled in craft are not wasteful nor prodigal to small purpose, admiring in a tongue rather the skilled and harmonious use of a few well-balanced sounds than profusion ill-ordered" (PM:398). Keiner der Laute des Quenya ist aus europäischer Perspektive sonderlich exotisch; die Anordnung jedoch ist von exquisiter Ordentlichkeit. Im Vergleich zu Tolkiens Elbensprachen erscheinen viele "echte" Sprachen geradezu chaotisch.

Grundlegende Begriffe

Lassen Sie uns einige grundlegende Begriffe erklären (Personen mit linguistischer Erfahrung müssen diesem Abschnitt nicht viel Aufmerksamkeit widmen). Die Laute jeder Sprache können in zwei große Kategorien eingeteilt werden: in Vokale und in Konsonanten. Vokale sind Laute, die durch einen "freien" Luftstrom durch den Mundraum entstehen. Die verschiedenen Vokale werden durch Veränderungen der Position von Zunge und Lippen erzeugt, doch der Luftstrom wird niemals direkt behindert. Wenn man verschiedene Vokale spricht (aaaaa... oder eeeee... oder ooooo...) kann man leicht spüren, wie die Luft ungehindert durch den Mund strömt: man formt lediglich Zunge und Lippen, um den gewünschten Laut "einzustellen". Vokale können mehr oder weniger ""offen" oder "geschlossen" sein: Man braucht nur die Position der Zunge und des Unterkiefers betrachten, wenn man aaah... spricht, und dies mit der Position beim ooooh vergleichen, um zu verstehen, was damit gemeint ist. Der Vokal a (wie in Grad) ist der offenste, während der Vokal u (wie in Wut) der geschlossenste ist. Andere Vokale fallen dazwischen. Vokale können ebenfalls mehr oder weniger "rund" sein, abhängig von der Form der Lippen; der eben beschriebene Vokal u wird rund genannt, weil er mit gespitzten Lippen produziert wird. Der Vokal o (wie in Tor) wird eigentlich ähnlich wie a produziert, aber o ist rund, und a ist es nicht – dadurch klingen die Vokale hörbar unterschiedlich.

Beim Sprechen von Vokalen wird der Luftstrom lediglich modifiziert (mittels der eben beschriebenen Technik), er wird niemals "gehindert". Im Fall von Konsonanten wird die Luft aktiv blockiert. Tolkien berichtete uns, dass ein alter elbischer Begriff für Konsonant tapta tengwë oder nur tapta lautet, was "gehindertes Element" oder "Gehindertes" (VT39:7) bedeutet. Im Extremfall kann der Luftstrom für einen kurzen Moment sogar vollständig unterbrochen werden: leicht festzustellen bei einem Konsonanten wie p, der geformt wird, indem man die Lippen in Kontakt miteinander bringt, kurzzeitig den Luftstrom von den Lungen abschneidet und einen Druck im Mund aufbaut. Werden die Lippen nun abrupt wieder getrennt, entlassen sie die Luft in einer kleinen Explosion – und diese Explosion produziert den Laut p. Diese explosiven Konsonanten sind t, p, k und ihre Gegenstücke d, b, g. Sie werden alle durch das Stauen und plötzliche Entlassen der Luft an verschiedenen Stellen der Mundhöhle gebildet. Anstatt die Luft vollständig zu blockieren, kann man sie auch durch eine schmale Öffnung fließen lassen, wie beim f, wo sie zwischen Unterlippe und oberen Schneidezähnen hindurchgepresst wird. Solche Laute werden friktiv (?) (oder spirativ) genannt und umfassen die Konsonanten f, v, das deutsche w und das englische th. Und es gibt immer noch weitere Möglichkeiten den Luftstrom zu manipulieren, z.B. indem man ihn durch die Nase umleitet und nasale Konsonanten wie n oder m bildet.

Das Konzept der Stimmgebung sollte ebenfalls verstanden werden. Menschen (und - so wie es aussieht - auch Elben) kommen mit Stimmbändern in der Kehle zur Welt. In Vibration gebracht, fügen diese dem Luftstrom "Stimme" hinzu, noch bevor er die Sprechorgane ganz erreicht. Das Vorhandensein oder Fehlen solchen Stimmgebens unterscheidet Laute wie w von f. Wenn man einen Laut wie ffff... produziert und ihn dann plötzlich in ein www... umwandelt, spürt man das Summen in der Kehle (legen Sie einen Finger auf  Ihre Glottis – den "Adamsapfel", der bei Frauen weniger hervorsteht -  und Sie werden das Vibrieren der Stimmbänder spüren). Im Prinzip könnte durch das Vokalisieren die Anzahl unserer produzierbaren Laute verdoppelt werden, da sie alle entweder mit Vibration der Stimmbänder (als stimmhafte Laute) oder ohne (als stimmlose Laute) erzeugt werden könnten. In der Praxis treten die meisten Sprachlaute jedoch nicht stimmlos auf. Viele Laute wären kaum wahrnehmbar ohne Stimmgebung (n zum Beispiel würde zu einem kleinen Schnauben reduziert). Gewöhnlich sind alle Vokale stimmhaft, so auch im Quenya (obwohl sie z.B. im Japanischen unter bestimmten Bedingungen ihre Stimme verlieren).

Ich habe mich bereits auf d, b, g als "Gegenstücke" zu t, p, k bezogen. Sie sind Gegenstücke in dem Sinne, als dass die ersteren stimmhaft und die letzteren stimmlos gesprochen werden. Ein charakteristisches Merkmal des Quenya (jedenfalls des Noldorin-Dialekts) ist der sehr eingeschränkte Einsatz der stimmhaften Explosivlaute d, b, g; sie treten ausschließlich in der Wortmitte auf, und dann nur als Teil der Konsonantencluster nd/ld/rd, mb und ng. Manche Sprecher sagten auch lb statt lv. (Möglicherweise stellte sich Tolkien für den nur wenig attestierten Vanyarin-Dialekt des Quenya andere Regeln vor: Das Silmarillion berichtet vom Aldudénië, der Klage eines Vanyarin-Elben. Dieses Wort hat vielen Forschern Rätsel aufgegeben, da das mittlere d in einer dem Noldorin-Quenya eigentlich unmöglichen Position steht.)

Silben: Zusammengesetzt aus Vokalen und Konsonanten, ist Sprache kein undifferenzierter Schwall von Lauten. Sie wird eher als in rhythmische Einheiten (Silben) organisiert wahrgenommen. Die kürzesten Worte sind zwingenderweise einsilbig, aus nur einer Silbe bestehend – wie das deutsche von oder sein Quenya-Äquivalent ho. Wörter mit mehr als einer Silbe, also mehrsilbige Wörter, bilden längere Ketten von rhythmischen Impulsen. Ein Wort wie Harfe besitzt zwei Silben (Har-fe), eines wie wundervoll drei (wun-der-voll), Geografie besitzt vier (Ge-o-gra-fie), und so weiter -  obwohl wir offensichtlich nicht viel mehr Silben aneinander reihen können, ohne unpraktisch lange und schwierig auszusprechende Worte zu erhalten. Einige orientalische Sprachen - wie Vietnamesisch -  haben eine Vorliebe für einsilbige Wörter. Aber wie aus unseren deutschen Beispielen ersichtlich, besitzen europäische Sprachen längere Wörter, und Tolkiens Quenya macht davon auch ausgiebigen Gebrauch (ebenso das Finnische).

Betrachten Sie Wörter wie Ainulindalë oder Silmarillion (jeweils fünf Silben: ai-nu-lin-da-lë, sil-ma-ril-li-on). Ein ungebeugtes Quenya-Wort besitzt typischerweise zwei oder drei Silben, und diese Zahl nimmt durch grammatische Endungen oft noch zu.


Die Laute des Quenya

Die Basisvokale des Quenya sind a, e, i, o, u (alle jeweils kurz und lang). Sie können auch zu Kombinationen zusammengesetzt werden, die dann Diphthongs heißen: Gruppen von zwei Vokalen, die wie eine Silbe ausgesprochen werden (im Deutschen beispielsweise ei und au). Es gibt im Quenya drei Diphthongs auf i (ai, oi, ui) und drei auf u (au, eu, iu, obwohl die Diphthongs eu und iu eher selten auftreten).

Als Konsonanten des Quenya im Dritten Zeitalter können aufgelistet werden: c (= k), d, f, g, gw, h, hy, hw, l, ly, m, n, nw, ny, p, qu, r, ry, s, t, ty, v, y und w (diese Auflistung ist nicht ganz unumstritten; das Konsonantensystem des Quenya kann auf mehrere plausible Arten gedeutet werden). Beim Schreiben des Elbischen hält die Tengwar-Schrift auch den Unterschied fest zwischen einigen Konsonanten, die sich bis zum Dritten Zeitalter in ihrer Aussprache annäherten und schließlich ganz ineinander übergingen (þ wurde zu s, während das am Wortanfang stehende ñ in n überging – siehe die Besprechung der Aussprache weiter unten).

In der Übertragung und Rechtschreibung, die wir in diesem Sprachkurs gebrauchen, tauchen solche frühere Formen von Konsonanten nur in zwei Fällen auf: hl und hr waren ursprünglich stimmloses l bzw. r, gingen aber später in die "normale", stimmhafte Aussprache l, r über (und wurden deshalb in der obigen Konsonantenauflistung auch nicht berücksichtigt). Daher werden wir z.B. hrívë ("Winter") mit hr buchstabieren, obwohl Tolkien die typische Aussprache des Dritten Zeitalters als "rívë" (mit normalem r) vorsah.

Obwohl die Konsonanten hy, gw, hw, ly, nw, ny, ry, ty, und qu (und hr, hl) hier mit zwei Buchstaben (als Digraphe) geschrieben werden, stellen sie einen einzelnen Laut dar. Auf ihre Aussprache gehe ich weiter unten im Detail ein. Digraphe auf w stellen Labiallaute dar, jene auf y stehen für Palatallaute (eine detailliertere Beschreibung siehe wie gesagt weiter unten). Es sollte beachtet werden, dass qu nur eine ästhetische Art der Buchstabierung ist, welche an Stelle des cw tritt (die meisten würden zustimmen, dass Quenya besser aussieht als Cwenya). Auf diese Weise ist qu, ebenso wie nw, ein labialer Konsonant (siehe weiter unten). Beim Silbenzählen darf nicht vergessen werden, dass es den Vokal u in der Kombination qu eigentlich gar nicht gibt. "u" steht hier für ein w. Ein Wort wie alqua ("Schwan") hat folglich nur zwei Silben: al-qua (= al-cwa). Man darf nicht "al-qu-a" trennen und daraus schließen, das Wort bestehe aus insgesamt drei Silben. In der Tengwar-Schrift wird qu durch ein einziges Zeichen repräsentiert, und in den meisten frühen Quellen gebrauchte Tolkien sogar nur den Einzelbuchstaben q für den Laut qu.

Doppelkonsonanten:  Manche Konsonanten treten auch in langen oder doppelten Versionen auf; doppelte versus einzelne Konsonanten können mit langen versus kurzen Vokalen verglichen werden. Die offensichtlichen Fälle, in denen sich ein Doppelkonsonant direkt in der Rechtschreibung niederschlägt, sind cc, ll, mm, nn, pp, ss und tt (z.B. ecco "Speer", colla "Umhang, Mantel", lamma "Klang, Ton, Geräusch", anna "Geschenk, Gabe", lappa "Saum eines Gewands", yarra- "brummen, knurren", essë "name", atta "zwei"). Die Gruppe pp ist sehr selten und wird nur in dem Material gefunden, welches lange vor dem HdR verfasst wurde. In der Note on Pronounciation im Anhang des Silmarillions schrieb Tolkien: "Doppelt geschriebene Konsonanten werden lang ausgesprochen, also hat Yavanna das lange n, das im Englischen unnamed, penknife hörbar ist, nicht das kurze n wie unaimed, penny"; deutsche Beispiele wären unnahbar für das lange, Sonne für das kurze n. Worte wie tana "das" im Gegensatz zu tanna "Zeichen", tyelë "endet" versus tyellë "Rang, Grad, Qualität", ata "wieder" versus atta "zwei" sollten deutlich zu unterscheiden sein. – Möglicherweise müssen einige als Digraphe notierte Konsonanten auch zu den doppelten Konsonanten gezählt werden, wenn sie zwischen Vokalen auftreten; z.B. ny = langes oder doppeltes Palatal-n (mehr dazu weiter unten).

Konsonantencluster (im Gegensatz zu einzelnen Konsonanten): Viele Konsonanten hintereinander auszusprechen ist schwierig, daher beschränken sich die Sprachen der Welt auf relativ kleine Gruppen ("Cluster") von Konsonanten. Das typische Wort fast jeder Sprache besteht aus einer Folge, in der sich Vokale und Konsonanten (einzelne Konsonanten oder relativ kurze Cluster) abwechseln – und für gewöhnlich ist dabei das "Herz" einer jeden Silbe ein Vokal. Tolkiens Quenya ist hierbei keine Ausnahme; tatsächlich besitzt diese Sprache recht strenge Regeln bezüglich der Art, in der Konsonanten und Vokale zu Silben und längeren Worten geformt werden dürfen. Dennoch sind Konsonantencluster recht häufig, auch wenn sie nicht so willkürlich wie im Deutschen zusammengesetzt werden. Während z.B. das Deutsche und in diesem Fall auch das Sindarin Konsonantencluster am Anfang von Worten erlauben, tut es das Quenya nicht (SD:417-418). Ein Wort wie Sprung, beginnend mit einem Cluster von nicht weniger als drei Konsonanten (s, p, r), wäre im Quenya undenkbar. Tolkien schrieb, dass der Name, den die "Woses" oder Wilden Menschen sich selbst gaben, Drughu, ins Quenya als übernommen wurde (UT:385). Den initialen Konsonantencluster dr- des Originals konnte das Quenya nicht erhalten (mal ganz davon abgesehen, dass d in dieser Position im Quenya ebenfalls unmöglich ist). Das Quenya erlaubt eine begrenzte Anzahl von Konsonantenclustern in medialer Position, also  zwischen Vokalen in der Wortmitte; als "häufige" und "bevorzugte" Cluster listete Tolkien auf: ld, mb, mp, nc, nd, ng, ngw, nqu, nt, ps, ts und x (für cs). Auf diese Art bekommen wir Worte im Quenya-Stil wie Elda "Elb", lambë "Sprache, Zunge", tumpo "Hindernis, Buckel", ranco "Arm" usw. Final, also am Ende eines Worts, dürfen nur fünf einzelne Konsonanten auftreten: nur -l, -n, -r, -s oder -t sind in dieser Position gestattet (Letters:425; die meisten Quenya-Worte enden jedoch auf einen Vokal). Konsonantencluster und Doppelkonsonanten findet man normalerweise nicht am Wortende; sie können jedoch auftreten, wenn ein finaler Vokal wegfällt, weil das nächste Wort mit demselben oder einem ähnlichen Vokal beginnt. So haben wir im HdR ein "finales" nn in der Phrase lúmenn' omentielvo ("auf die Stunde unserer Begegnung"), aber nur, weil dies eine Verkürzung von lúmenna omentielvo ist (die volle Form ist WJ:367 und Letters:424 entnommen). Der einzig echte Konsonantencluster am Ende eines Worts scheint nt zu sein, eine spezifische grammatikalische Endung (dualer Dativ, wird in späteren Lektionen besprochen) - z.B. in ciryant "für ein Schiffspaar", geformt aus cirya "Schiff". Die frühesten "Qenya"- Experimente Tolkiens, aufgezeichnet im Qenya Lexicon of 1915, waren in dieser Hinsicht weitaus freier. "Qenya" erlaubt viel mehr finale Konsonanten und sogar finale Konsonantencluster. Doch als sich der HdR-Quenyastil in Tolkiens Notizen entwickelte, engte er die Phonologie ein. Auf diese Weise gab er der Sprache einen klareren, festgelegten Stil.


Aussprache

Vokale: Quenya-Vokale sind rein. Tolkien empfahl Leuten, die einen gewissen Grad an Akkuratheit in der Aussprache erreichen wollen, italienischen Vokale als Vorbild zu gebrauchen (gleiches empfahl übrigens auch Zamenhof für das Esperanto).

[Anmerkung der Übersetzerin: An dieser Stelle diskutiert Helge Fauskanger die englische Aussprache von Vokalen. Da das Deutsche jedoch verhältnismäßig "reine" Vokale benutzt - jedenfalls im Vergleich zum Englischen - halte ich es nicht für notwendig, diese Passage hier vollständig wiederzugeben. Zusätzlich erlaube ich mir, im folgenden die vorwiegend englischen Beispiele durch passende deutsche zu ersetzen (sofern dies möglich ist) und allgemein Ausführungen sinngemäß abzuändern oder auszulassen, wo es mir für deutsche Muttersprachler sinnvoll erscheint. Alle Ungenauigkeiten oder Fehler, die aufgrund dieser Bearbeitung entstehen, sind ausschließlich meiner Übersetzung und nicht Herrn Faustkanger anzulasten.]  

Manche Sprecher neigen dazu, Vokale zu trüben, besonders wenn diese nicht betont sind. So kommt bei einem Wort wie Wege nur das erste E als "richtiger" E-Laut heraus. Das andere, unbetonte E klingt typischerweise verschwommener, undeutlicher, "reduzierter". Diese Art von Vokalen nennen Linguisten Schwa (vom Hebräischen Wort für "Nichtigkeit"). Doch im Quenya müssen alle Vokale an allen Positionen klar und deutlich ausgesprochen werden; jeder Anflug, sie zu trüben, muss unbedingt vermieden werden.

  Wie wir uns erinnern, besitzt das Quenya sowohl lange als auch kurze Vokale, wobei die langen stets durch einen Akzent gekennzeichnet werden: á, é, ó, ú, í (kurze Vokale: a, e, o, u, i). Lange und kurze Vokale müssen auseinandergehalten und hörbar unterschiedlich ausgesprochen werden. Manchmal ist die Vokallänge der einzige Hinweis, der zwei sonst identische Worte unterscheidbar macht: zum Beispiel bedeutet cu mit kurzem u "Taube", während mit einem langen ú "Mondsichel" heißt.

Das lange á klingt wie das deutsche Vater: "Hand", nárë "Flamme", quáco "Krähe". Das kurze a - der weitaus häufigste Vokal des Quenya - ist laut Tolkien "offener" als das lange. Als Beispiel mögen  Ast, Wache dienen (versuchen Sie, das kurze a möglichst "hell" und kurz zu sprechen). In einer sehr frühen Quelle führte Tolkien aus, dass das "Qenya", wie im Englischen, ein finales -a in einen Schwa umwandle. Es gibt jedoch keinen Hinweis darauf, dass diese Version Jahrzehnte später, als der HdR geschrieben wurde, noch ihre Gültigkeit bewahrt hatte. In dieser frühen Quelle wird sogar erwähnt, dass nur ein wichtiger Dialekt des "Qenya" das finale -a nicht aufweiche. Sprecher des Quenya sollten also darauf achten, ein kurzes a in finaler Position nicht zu einem "Schwa" verkommen zu lassen. Es ist wichtig, ein volles a in allen Positionen zu sprechen. So sollten beide Vokale in Anna absolut gleich klingen!

Das lange é hat den Klang des deutschen eh wie in reden. Tolkien schrieb, dass das lange é geschlossener als das kurze sein solle (also eher in Richtung i als in Richtung ä; siehe HdR Anhang E). Quenya-Beispiele: nén "Wasser", "Tag", ména Region".

Das kurze e kann ausgesprochen werden wie Ende. Im Quenya tritt dieser Laut auch am Wortende auf. Da das finale e in der englischen Rechtschreibung oft lautlos ist (d.h. nicht ausgesprochen wird, wie z.B. in name, take), gebrauchte Tolkien oft die Schreibweise ë an dieser Position – und das werden wir in diesem Kurs auch machen. Quenya-Wörter: lómë "Nacht", morë "schwarz", tinwë "funkeln".

Das lange í wird wie in Biene ausgesprochen. Das Quenya-Wort "jetzt, nun" ist ein ähnlicher Laut, ebenso wie nís "Frau" und ríma "Kante". Dieses lange í muss hörbar länger sein als das kurze, das wie Nick klingt: titta "winzig", imbë "zwischen", vinya "neu". Spätere Aufzeichnungen deuten an, dass die Qualität des Vokalklangs dem langen i in Biene entspricht – beginnen Sie mit diesem Laut und verkürzen Sie ihn. Wie bei allen Vokalen muss die Aussprache an allen Positionen (also auch am Wortende) identisch sein.

Das lange ó entspricht in etwa dem deutschen o wie in Rom. Einige Wörter: mól "Sklave", "Wolle", óma "Stimme". Das kurze o kann wie in Bonn ausgesprochen werden: rondo "Höhle", olos "Traum", tolto "acht". Es darf niemals zu einem Schwa reduziert werden; seien Sie besonders aufmerksam bei Endungen auf -on (oft bei männlichen Namen oder als Pluralform des Genitiv; siehe spätere Lektionen). 

Das lange ú klingt wie in Wut, Brut: Númen "Westen", yúyo "beide". Das kurze u muss deutlich kürzer als das lange klingen, ähnlich dem deutschen kaputt. Im Idealfall sollte es allerdings ein bisschen "gerundeter" sein als in kaputt; es sollte einfach eine kürzere Version des langen ú sein: cundu "Prinz", nuru "Tod", ulundo "Monster".

Wichtig: Deutsche Sprecher müssen ganz besonders auf ihre Vokale achten, wenn die Kombination Vokal + r auftritt. Bei Paaren wie ar, or wird der Vokal verlängert: der Garten wird so zu Gaarten. Viele würden sogar das r wegfallen lassen: Gaaten. Ebenso oft wird die Qualität des Vokals verändert: Wort wird zu Woat, Turm zu Tu-em. In Quenya-Worten wie narda "Knoten" oder lorna "schlafend" müssen die Vokale jedoch kurz und unverändert bleiben. Ebenso darf das r niemals ausgelassen werden. Keineswegs sollten Aussprachen wie "naada", "loo(a)na" zustande kommen, so groß die Versuchung für Deutschsprachige auch sein mag.

Diphthongs: Zusätzlich zu den einzelnen Vokalen, die wir oben besprochen haben (von den Linguisten Monophthonge genannt), haben wir die Diphthongs - Kombinationen von Vokalen, die als ein Laut ausgesprochen und sich in vielerlei Hinsicht wie ein einzelner Vokal verhalten: die Quenya-Diphthongs sind ai, au, eu, iu, oi und ui.

  Der Diphthong ai entspricht dem deutschen ei wie in Wein, Geheimnis. Quenya-Beispiele: faila "gerecht, großzügig", aica "grausam, schrecklich", caima "Bett", aira "heilig".

Der Diphthong au klingt wie in Haus: aulë "Erfindung", laurëa "golden", taurë "Wald".

Beim Diphthong eu müssen deutsche Sprecher aufpassen. Er entspricht nicht dem eu in heute oder neu; er klingt wie die beiden Einzelvokale e und u, schnell hintereinander ausgesprochen: e-u. Dabei sollen beide Vokale flüssig aneinander gebunden und nicht abgehackt werden wie beispielsweise in der Abkürzung EU (Europäische Union). Achten Sie darauf, die Vokale schnell aneinander zu binden, da das Quenya-eu immer nur als eine Silbe gilt. Folglich ist leuca "Schlange" ein zweisilbiges Wort: leu-ca (und nicht le-u-ca). Weitere Beispiele: neuma "Schlinge", peu "Lippenpaar". Dieser Diphthong tritt im Quenya jedoch eher selten auf.

Der Diphthong iu ist eine schnelle Aufeinanderfolge der Vokale i und u, ähnlich dem englischen yule. Dies stimmt mit der typischen Aussprache des Quenya im Dritten Zeitalter überein. Tolkien schrieb, dieser Diphthong sei ursprünglich ein "fallender" gewesen, mit der Betonung eher auf dem ersten als auf dem zweiten Vokal (HdR Anhang E). Jedoch sei die Aussprache des Dritten Zeitalters genauso "gültig", auch innerhalb des Mythos, und für uns ist sie einfacher zu erlernen. Dieser Diphthong ist auf jeden Fall sehr selten; in den Etymologies sind nur eine Handvoll Wörter belegt: miulë "jaulend, miauend", piuta "spucken", siulë "Beweggrund" und die Gruppe tiuca "dick", tiuco "Schenkel" and tiuya- "anschwellen, dick werden" – ein paar weitere Beispiele für iu können noch in Tolkiens frühem "Qenya"- Material gefunden werden.

Der Diphthong oi wird gemäß seinem Schriftbild ausgesprochen, entspricht also dem deutschen eu in heute: coirëa "lebendig", soica "durstig", oira "ewig".

Der Diphthong ui entspricht ebenfalls dem Schriftbild, unterscheidet sich aber vom deutschen ui wie in Ruine durch zwei Punkte: zum einen wird er nicht abgehackt, sondern flüssig aneinander gebunden, und zum anderen muss er eine einzige Silbe bilden; also nicht hu-i-në, sondern hui-në: huinë "Schatten", cuilë "Leben", uilë "(lange, rankende) Pflanze". Beachten Sie, dass die Kombination qui nicht den Diphthong ui enthält; sie ist lediglich eine optisch angenehmere Schreibweise für cwi (z.B. orqui "Orks" = orcwi).

Alle anderen Vokalgruppen sind keine Diphthongs, sondern einfach Vokale, die zu unterschiedlichen Silben gehören, und daher auch getrennt ausgesprochen werden. In linguistischen Begriffen gesprochen sagt man von Vokalen, die direkt aufeinander folgen ohne dabei  Diphthongs zu bilden, sie befänden sich im Hiatus. Das primitive Elbisch besitzt offensichtlich keine solche Kombinationen, zumindest nicht in der Wortmitte: Tolkien lässt Fëanor schlussfolgern, dass "our fathers...in building words took the vowels and parted them with the consonants as walls" (VT39:10). Einige Konsonanten gingen im Quenya jedoch verloren, so dass ursprünglich "getrennte" Vokale in direkten Kontakt miteinander kamen (VT39:6). Im Quenya gibt es sogar mehrsilbige Wörter, die ausschließlich aus Vokalen bestehen, zum Beispiel (ein Name des Universums) oder oa ("fort, weg"). Die häufigsten sich im Hiatus befindlichen Vokalkombinationen sind ea, eo, ie, io, oa; jeder Vokal sollte "für sich" ausgesprochen werden. Tolkien betonte diesen Sachverhalt oft durch das Hinzufügen einer Diaresis (waagerechter Doppelpunkt) über dem betreffenden Vokal. Wir werden in diesem Kurs ebenfalls durchgängig davon Gebrauch machen: ëa (), ëo (), . Bei der Kombination ie verzichten wir jedoch darauf (ausgenommen am Wortende), ebenso beim oa. Da Tolkien in manchen Manuskripten jedoch auch und öa anführte, müssen die Vokale ebenfalls getrennt gesprochen werden. Beachten Sie, dass das ö in öa ein reines o bleiben muss, und nicht zum Umlaut ö wie in Hören wird. In Übereinstimmung damit schreibt Christopher Tolkien in seiner Note on Pronounciation im Anhang des Silmarillions, dass der Name Nienna Ni-enna ausgesprochen werden muss, und nicht Ninna mit langem i. Einige Beispiele: fëa "Seele", lëo "Schatten, Schattierung", loëndë "Jahr-Mitte" (der mittlere Tag des Jahres laut Elbischem Kalender), coa "Haus".

Konsonanten: Die meisten Konsonanten sind für Personen mit westeuropäischer Muttersprache leicht auszusprechen. Diese Punkte müssen dabei beachtet werden:

C wird immer wie k ausgesprochen, und niemals wie s oder z; celma "Kanal" oder cirya "Schiff" dürfen nicht wie selma oder gar zelma klingen. (Dies gilt ebenfalls für das Sindarin: Wenn in der von Rankin/Bass animierten [englischen] Filmversion des HdR Celeborn wie "Seleborn" ausgesprochen wird, wird klar, dass es die Filmemacher niemals bis zum Anhang E geschafft haben. Glücklicherweise wurde dieser Fehler von Peter Jackson nicht wiederholt.)

In den Gruppen hw, hy, hl, hr wird der Buchstabe h nicht separat gesprochen. Es sind lediglich Digraphe, die einen einzelnen Konsonanten umschreiben:
Was wie hl, hr geschrieben wird, war ursprünglich ein stimmloses l, r. Das bedeutet, dass diese Laute ohne Vibration der Stimmlippen produziert wurden, was in einer "gehauchten" Version der normalen l, r resultierte. (Wenn Sie es schaffen, das l in Platz zu isolieren, werden Sie ein stimmloses l erhalten – wenngleich es in diesem Fall nur "unbeabsichtigt" stimmlos ist aufgrund des vorhergehenden, stimmlosen Explosivlauts p. Im Deutschen existiert kein stimmloses l wie im ursprünglichen Quenya.) Im Quenya sind diese Laute eher rar; einige Beispiele wären hrívë "Winter" und hlócë "Schlange, Drache". Jedoch berichtete Tolkien, dass zum Zeitpunkt des Dritten Zeitalters hr und hl zu den normalen, stimmhaften r, l wurden. Die Schreibweise wurde jedoch offensichtlich beibehalten.

Was hw geschrieben wird, entspricht dem Englischen wh in Dialekten, die wh und w hörbar unterscheiden (z.B. sind witch und which zwei hörbar unterschiedliche Wörter – amerikanisches und nordbritisches Englisch halten diese Trennung aufrecht, in der British Received Pronunciation wurde sie fallengelassen). Nehmen Sie einfach an, hw sei eine (weiche) Version des Lautes, den Sie produzieren wenn Sie eine Kerze auspusten. Hw ist kein häufiger Laut im Quenya; hier folgt die vermutlich vollständige Liste aller Wörter, bei denen er auftritt: hwan "Schwamm, Fungus", hwarin "krumm, unehrlich", hwarma "Riegel, Querholz", hwermë "Zeichen(Gesten-)Code", hwesta "Brise, Hauch, leichter Windstoß" (auch als Verb: hwesta- "blasen, pusten"), hwindë "Strudel, Wirbel".

Das notierte hy klingt wie das deutsche ch in ich. Im HdR-Anhang E schrieb Tolkien, dass hy dasselbe Verhältnis zu y besitzt wie hw (s.o.) zu w: das eine ist stimmlos, das andere stimmhaft. Beispiele: hyarmen "Süden", hyalma "Muschel, spiralförmige Schnecke", hyellë "Glas". Anscheinend tritt hy vorwiegend am Wortanfang auf; ahya- "(ver)ändern, wechseln" ist zur Zeit das einzige anderslautende Beispiel. Jedoch: das h in der Kombination ht wird nach bestimmten Vokalen ebenso wie hy ausgsprochen (siehe weiter unten). – Im HdR-Anhang E führte Tolkien aus, dass Sprecher des Westron (die "Originalsprache" des Roten Buchs, die Tolkien ins Englische "übersetzte") den Laut hy oft durch sch ersetzten. Sprecher, die sich nicht um phonologische Details kümmern, können natürlich dasselbe tun, und ein Wort wie hyalma in "schalma" abändern. Dies wäre eine Aussprache, die auch innerhalb Mittelerdes vorkommt, obwohl es nicht die richtige elbische wäre (und es scheint besser, auf letztere hinzuarbeiten!) Ich schätze jedoch, viele Sprecher des Englischen würden kaum einen Unterschied erkennen.

Außerhalb der Gruppen hw, hy, hl, hr repräsentiert der Buchstabe h einen unabhängigen Laut, wird aber an unterschiedlichen Positionen verschieden ausgesprochen. Es scheint, dass das Quenya-h ursprünglich (jedenfalls dann, wenn es vom primitiven Elbischen kh stammt) wie das deutsche h in hoch gesprochen wurde. Zu Fëanors Zeit klang es scheinbar wie ch in Bach. In der Lautschrift wird dies mittels [x] notiert. Später wurde dieses [x] am Wortanfang weicher und entwickelte sich zum deutschen h. Tolkien unterrichtet uns im HdR-Anhang E, dass der Tengwar-Buchstabe für [x] ursprünglich harma genannt wurde; er hieß im Tengwar so, weil das initiale h des Worts ein Beispiel für den Laut des Buchstabens [x] war. Aber als das [x] an dieser Position sich zum (deutsch gesprochenen) h wandelte, wurde der Tengwa-Buchstabe neu benannt: aha, denn in der Wortmitte wurde [x] nicht weich. Nach diesen komplizierten Verwicklungen können wir nun folgende Regeln ableiten: am Wortanfang (vor einem Vokal) wird h wie ein normales deutsches h ausgesprochen. In der Mitte von Worten klingt h wie ein [x] (Bach); gleiches gilt für ein h zwischen Vokalen (aha "Zorn") und vor dem Konsonant t in Wörtern wie pahta "geschlossen", ohta "Krieg".
In einer späten Quelle notierte Tolkien, dass in Quenya und Telerin das mittlere [x] schließlich ebenfalls zum h wurde (VT41:9). Daher mag es erlaubt sein, selbst Worte wie aha mit einem deutschen, gehauchten h auszusprechen. Die Gruppe ht muss höchstwahrscheinlich dennoch wie [xt] (Nacht) gesprochen werden; das weiche Hauch-h wäre an dieser Position sonst kaum hörbar.
Diese Regel erfordert eine Anmerkung. Wahrscheinlich wurde ein h vor t ursprünglich immer wie [x] ausgesprochen. Dies gilt auch weiterhin, wenn das h auf einen der Vokale a, o und u folgt, wie in den Beispielen pahta, ohta weiter oben. Folgte es jedoch auf ein i oder e, verwandelte sich das originale [x] in den ch-Laut wie im deutschen ich. (Tolkiens Vorlage für diese Verschiebungen scheint tatsächlich das Deutsche gewesen zu sein.) Also wird das h in den Worten ehtë "Speer" oder rihta- "zerren, zucken" wie das oben beschriebene hy (ich) ausgesprochen. Wieder nahm Tolkien an, menschliche (sterbliche) Sprecher des Westron besäßen die Tendenz, stattdessen ein "sch" zu sprechen: "eschtë", "rischta." (Diese Fehler wären typisch für englische Muttersprachler. Aus deutscher Perspektive stellen sich diese Probleme eigentlich nicht.)

Das l des Quenya klingt mehr oder weniger wie das deutsche l. – Perfektionisten können ein Detail beachten:  In Letters:425 erwähnte Tolkien das l unter den "Dentalen"; dies sind Laute, die mit der Zungenspitze an den oberen Schneidezähnen produziert werden. Das Deutsche benutzt hingegen üblicherweise ein alveolares l: ein Laut, bei dem die Zungenspitze weiter hinten und höher als die Zähne liegt (und diese auch nicht berührt). Dies "verdunkelt" das l etwas. Beim Sprechen des Quenya-l sollte man darauf achten, mit der Zungenspitze die Zähne zu berühren.

Das Quenya-n klingt wie das deutsche. Ursprünglich ist es die ganze Zeit über ein n gewesen, aber in einigen Fällen steht es für das ältere ng, wie im deutschen Ding (Sie merken, dass das g nicht hörbar ist, trotz der Schreibweise). Im Gegensatz zum Deutschen kann das Quenya diesen Laut auch am Anfang des Wortes haben. Wie in der Besprechung der Rechtschreibung angedeutet, gebrauchte Tolkien manchmal den Buchstaben ñ, um das ältere ng zu notieren, zum Beispiel in Ñoldor. In einem seiner Briefen fügt er als Fußnote das Wort Noldor (so geschrieben) ein und informiert den Leser, dass das initiale N "ng" wie in "Ding" ausgesprochen werden solle (Letters:176). Dies wäre jedenfalls die "altertümliche" Aussprache; Sprecher des Quenya zu Frodos Zeiten würden schlicht Noldor sagen: HdR-Anhang E zeigt deutlich auf, dass bis zum Zeitpunkt des Dritten Zeitalters das initiale ñ zu einem normalen n geworden ist. Daher wird der elbische Buchstabe ñ als n übertragen. Wir haben diese Vorgehensweise hier übernommen, so dass der Buchstabe n in nahezu allen Fällen das normale deutsche n repräsentiert, ungeachtet seiner phonologischen Vorgeschichte im Quenya. Ich sage "in nahezu allen Fällen", da dieses n immer noch wie ñ ausgesprochen wird, wenn es vor c (= k), g und qu steht. Dies stellt kein großes Problem dar, da es für Sprecher des Deutschen natürlich ist und dort ebenfalls so gehandhabt wird. In einem Wort wie anca "Kiefer" wird der Cluster nc daher gesprochen wie das nk in Tank, und im Wort anga "Eisen"sollte das ng wie in Dinge klingen. Beachten Sie jedoch, dass bei einem ng in der Wortmitte das g stets hörbar ausgesprochen werden muss (dies gilt ebenso für die Gruppe ngw, wie in tengwa "Buchstabe"). Es ist NICHT nur das einfache, oben beschriebene ñ, das "ng" des deutschen Ding ohne hörbares g!

Das Quenya-r steht für ein gerolltes r in allen Positionen; der Klang verliert sich nicht vor Konsonanten (wie in Garten, s.o.; HdR-Anhang E). Das r soll mit der Zunge gerollt werden, wie im Spanischen, Italienischen, Russischen etc. Bestimmte Feinheiten des Tengwar- Alphabeths deuten an, dass im Quenya das r unmittelbar vor Konsonanten und am Ende des Worts etwas weicher gesprochen wird. Nichtsdestotrotz sollte es sauber gerollt werden und absolut hörbar bleiben, selbst in diesen Positionen: parma "Buch", erdë "Saat, Samen", tasar "Weide(nbaum)", Eldar "Elben". Der Vokal vor dem r soll nicht verlängert oder sonst wie beeinflusst werden. Das uvulare r im Deutschen und Französischen muss im Quenya ganz vermieden werden, da Anhang E des HdR schreibt, diesen Laut fänden die Elben scheußlich (es wird sogar angenommen, dass dies die orkische Aussprache des r sei!).

Der Konsonant s muss immer stimmlos sein, wie in ist, was (HdR-Anhang E). Im Deutschen wird das s oft zum stimmhaften s, ganz besonders vor Vokalen (Sage, so); und nicht selten verwandelt es sich sogar in sch (Speer, Stolz) – dies alles darf beim Quenya nicht vorkommen. Beim Aussprechen des Quenya sollte man folglich sehr vorsichtig darauf achten, das s stets stimmlos zu halten: Isildur, asar "Fest", olos "Traum", nausë "Vorstellung, Imagination". Das Exil-Quenya des Dritten Zeitalters besitzt überhaupt kein stimmhaftes s. (Tolkien stellte sich vor, dass das stimmhafte s in einem früheren Stadium durchaus vorhanden war, aber später in ein r überging. Zum Beispiel zeigt UT:396 an, dass der Plural von olos "Traum" zu einem frühen Zeitpunkt olozi lautete, aber später zu olori wurde.) Wenn es zwischen Vokalen auftritt, repräsentiert ein s oft den Laut þ (mehr oder weniger das th im Englischen think); die oben genannten Wörter asar und nausë stehen für das ältere aþar bzw. nauþë, und werden in der Rechtschreibung des Tengwar auch so notiert.

Zu v und w: Wir müssen annehmen, dass diese beiden Buchstaben wie im Englischen ausgesprochen werden. Das bedeutet, das v entspricht immer dem normalen deutschen w; es wird an keiner Stelle des Worts zum f wie in brav. Das w entspricht seinem englischen Pendant (weather, willow). Das initiale (anfängliche) nw jedoch ist keinesfalls n + w, sondern ein sogenannter Labiallaut; siehe weiter unten). Dennoch gibt es einige unklare Punkte. HdR- Anhang E scheint darauf hinzuweisen, dass im Dritten Zeitalter das initiale w wie ein deutsches w klingt: es wird gesagt, der Name des Tengwar-Buchstaben vilya habe früher wilya gelautet. Entsprechend zeigte Tolkien auf, dass das Wort véra ("persönlich, privat, eigen") im sogenannten "Alten Quenya" wéra lautete (PM:340). In den Etymologies sind die Angaben dagegen etwas abweichend. Die meisten Angaben lassen jedoch darauf schließen, dass am Wortanfang w- wie sein deutsches Äquivalent w ausgesprochen wird (jedenfalls zum Zeitpunkt des Dritten Zeitalters); wo Tolkien eine Form doppelt sowohl mit w- als auch mit v- auflistete, muss die erstere offensichtlich als die archaischere betrachtet werden. Ich habe die Buchstabenwahl zwar nicht in Regeln gefasst, doch wo Tolkien selbst eine Form auf v- eher als eine auf w- (sei es als alleinstehende Form oder als Alternative zu w-) auflistete oder benutzte, werde ich in diesem Kurs die v-Form benutzen. (Dies gilt auch für vilin!) Es ist jedoch denkbar, dass laut Aussprache des Dritten Zeitalters alle initialen ws wie das deutsche w klingen; die ursprüngliche Unterscheidung zwischen initialem v und w wäre in der gesprochenen Sprache verloren gegangen. Es ist nicht ganz klar, was Tolkien meinte: ob diese Unterscheidung in der Tengwar-Rechtschreibung aufrechterhalten wurde oder nicht. - Anders als am Beginn eines Worts wird die Unterscheidung zwischen v und w im Quenya des Dritten Zeitalters aufrecht erhalten. Im Fall der Gruppen lw und lv kann die Unterscheidung sogar durch eine Veränderung in der Aussprache der Gruppe lv betont werden: "Für lv, nicht für lw, gebrauchten viele Sprecher, besonders Elben, lb" (HdR- Anhang E). Folglich wurde ein Wort wie elvëa "sterngleich, -artig" oft "elbëa" ausgesprochen, und möglicherweise auch so in der Tengwar-Schrift notiert. Obwohl häufig auftretend, scheint dies dennoch keine "Standard-Aussprache" zu sein, und die Rechtschreibung Tolkiens zeigt gewöhnlich die Aussprache "lv" an. Zum Beispiel celvar (oder "kelvar", "Tiere") und nicht celbar in den Reden Yavannas und Manwës im Silmarillion, 2. Kapitel. In PM:340 nannte Tolkien das Wort für "Ast" jedoch eher olba denn olva.

Der Buchstabe y wird ausschließlich als Konsonant gebraucht, niemals als Vokal i oder gar Umlaut ü. Er entspricht dem deutschen j wie in Jahre, jeder: Tolkien betonte dies als eine der wenigen Abweichungen des Quenya von der lateinischen Schreibweise (Letters:176). Der Vokal y, wie im deutschen ü oder französischen "u" in lune, existiert im Quenya nicht (ist jedoch im Sindarin anzutreffen).

Palatalisierte und Labialisierte Laute: Im Quenya finden wir Worte wie nyarna "Sage, Geschichte", tyalië "Spiel" oder nwalca "grausam". Der Rechtschreibung nach zu urteilen, scheinen diese Wörter mit Konsonantenclustern zu beginnen: n + y, t + y, n + w. Dies würde jedoch nicht mit der expliziten Aussage in Lowdhams Bericht übereinstimmen, die besagt, dass "Adunaisch, ebenso wie Avallonisch [=Quenya] nicht mehr als einen einzigen Basiskonsonanten am Wortanfang duldet" (SD:417-418). Wie können wir das also erklären?

Die Lösung scheint in der Vermutung zu liegen, dass "Kombinationen" wie ny in nyarna tatsächlich einzelne Basiskonsonanten sind: ny ist nicht der Cluster n + y, sondern derselbe einzelne Laut, der im spanischen Alphabet als "ñ" aufgeführt ist – wie in señor. Natürlich, dies klingt ähnlich wie "senjor", aber "ñ" ist in Wirklichkeit ein einzelner Konsonant. Dieses "ñ" ist die palatalisierte Version des n, ein n, das in Richtung y "getrübt" wird. Das Deutsche besitzt ebenfalls einen palatalisierten Konsonanten, ausgedrückt durch die drei Buchstaben "sch" (die natürlich keinen Cluster s + c + h repräsentieren); dies kann man als palatalisiertes s bezeichnen. Beim aufmerksamen Vergleich der Artikulation von s und sch kann man wahrnehmen, wie der Palatalisierungs-Vorgang im eigenen Mund stattfindet: Ein Konsonant wird palatalisiert, indem man den Zungenrücken zur Decke der Mundhöhle wölbt (englisch: palate = Gaumen). Das Verhältnis von s zu sch entspricht dem von n zum ny des Quenya (oder dem spanischen "ñ").

Neben ny besitzt das Quenya die palatalisierten Konsonanten ty, ly, ry (z.B. in tyalië "Spiel", alya "reich", verya "kühn, mutig"); sie sind die palatalisierten Gegenstücke zu t, l, r. In Bezug auf ty schrieb Tolkien, es könne wie das "t" im englischen tune ausgesprochen werden (siehe zum Beispiel SD:418-419 - es muss angemerkt werden, dass er an Dialekte dachte, bei denen dies als "tyoon" gesprochen wird; dies trifft nicht auf das amerikanische Englisch zu). Für uns mag als Beispiel "tj" in tjuhn dienen (wie das englische Wort tune in deutscher Lautschrift aussähe). In Gondor sprachen manche Menschen das Quenya-ty wie tsch aus (Quatsch), aber dies ist nicht die korrekte elbische Aussprache. Was den Konsonanten ly betrifft, besitzt er Ähnlichkeit mit dem "lh" im portugiesischen olho ("Auge"). Im Anhang E des HdR notierte Tolkien, das (so geschriebene) l solle "bis zu einem gewissen Grad ‚palatalisiert’ sein zwischen e, i und einem Konsonanten, oder final nach e, i". Die Wendung "bis zu einem gewissen Grad" legt nahe, dass wir keine "volle" Palatalisierung des l in diesen Positionen anbringen sollen (dies wäre als ny notiert), sondern in Wörtern wie Eldar "Elben" oder amil "Mutter" nur eine winzige Andeutung desselben.

Neben den palatalisierten haben wir auch labialisierte Konsonanten: nw, gw und qu (= cw). Die sind nicht die Cluster n + w, g + w, c + w. Vielmehr repräsentieren sie w, g, c (k), gesprochen mit gespitzten Lippen. Dies entspräche im Klang etwa dem englischen w in water: Durch das Zuspitzen der Lippen wird der Konsonant "labialisiert" (aus dem Lateinischen Wort für "Lippe"). Eine behelfsmäßige deutsche Lautnachahmung des englischen "water" wäre uota (mit offenem o!). Das Quenya-qu kann sicherlich wie das englische queen gesprochen werden (deutsche Umschreibung: kuiehn, sehr behelfsmäßig!), aber im Idealfall verschmelzen k und (englisches) w zu einem einzigen Laut. Nw und gw repräsentieren entsprechend die "verschmolzenen" Versionen von n/w, g/w. - Es sei erwähnt, dass nw nur am Wortanfang ein einzelner, labialisierter Konsonant ist; an dieser Stelle steht es für das ältere ngw (vgl. was Tolkien auch als "ñw" notieren könnte, indem er das "ñ" für ng wie in Ding benutzte). In der Wortmitte, z.B. bei  vanwa "fort, verloren", ist nw tatsächlich nur ein Cluster von n + w, und wird in der Tengwar-Schreibung auch so notiert. Die labialisierten Konsonanten qu und gw treten jedoch auch in der Mitte von Worten auf. Gw tritt sogar nur in dieser Position auf, und zwar immer in der Kombination ngw (nicht "ñw" sondern "ñgw", immer noch das "ñ" wie Tolkien gebrauchend): ): lingwë "Fisch", nangwa "Kiefer (anatomisch)", sungwa "Trinkgefäß".

Zur Frage der Länge: Wenn palatalisierte oder labialisierte Konsonanten zwischen zwei Vokalen auftreten, zählen sie als lang oder doppelt (als ob die Digraphen tatsächlich für Konsonantencluster stünden). Benutzt man wiederum den Buchstaben "ñ" mit seinem spanischen Wert als palatalisiertes n (und nicht als das ng in Ding mit klingendem g, wie es Tolkien oft tat), könnte man sich fragen, ob ein Wort wie atarinya ("mein Vater", LR:61) nicht für "atariñña" steht. Falls dem so ist, repräsentiert die Gruppe ny in der Wortmitte ein langes, palatalisiertes N. Dann würde sogar das Wort Quenya eher "Queñña" als "Quen-ya" ausgesprochen werden. Eine andere Möglichkeit ist "Queñya", mit palatalisiertem n und nachfolgendem, relativ deutlichem y (was nicht der Fall ist, wenn ny am Wortanfang auftritt). Beim Vorlesen einer Version des Namárië spricht Tolkien mindestens einmal das Wort inyar wie "iññar" aus (beim zweiten Auftreten des Worts sagt er jedoch einfach "inyar" mit n + y). Sofern es die Betonung betrifft, müssen die Gruppen ny, ly, ry, ty und qu (für cw) stets als lange Konsonanten oder als Konsonantencluster betrachtet werden (siehe dort) - obwohl feststeht, dass sie in anderen Fällen als einzelne, einheitliche Konsonanten gelten.


Betonung

Wann immer eine Sprache mehrsilbige Wörter besitzt, werden manche Silben kraftvoller ausgesprochen als andere. Wir sagen dann, diese Silben sind betont. In manchen Sprachen wird keine Silbe mehr betont als die anderen. Zum Beispiel legen Japaner auf jede Silbe dasselbe Gewicht, was frustrierte Ausländer dann als "Maschinenpistolen-Aussprache" bezeichnen. In westlichen Sprachen ist jedoch eine Variation in der Betonung üblich: Manche Silben sind betont, andere nicht.

Die Regeln dafür, welche Silben betont werden, sind jedoch unterschiedlich genug. Manche Sprachen haben ein sehr einfaches System; im Französischen empfängt jedes Wort seine Betonung auf der letzten Silbe (wie z.B. in "Paris" = "paRIS"). Die Finnen besitzen ebenfalls ein sehr simples System und betonen alle Wörter auf der ersten Silbe: Während einige von uns denken, dass Helsinki am "natürlichsten" "HelSINki" betont wird, werden die Einwohner dieser Stadt auf "HELsinki" bestehen.

 Da Finnisch Tolkiens allererste Inspirationsquelle war, könnte man meinen, er habe das einfache Betonungssystem ins Quenya übernommen und alle Wörter auf der ersten Silbe akzentuiert. In der "internen" oder fiktiven Geschichte der Sprache sieht er tatsächlich eine frühe Periode vor, während der Quenya-Wörter auf diese Weise ausgesprochen wurden (die sogenannte retraction period, WJ:366). Diese wurde jedoch durch ein neues System ersetzt, noch bevor die Noldor ins Exil gingen. Quenya, als eine Sprache der Gelehrten in Mittelerde, besitzt mehrere Betonungsmuster, die im Anhang E des HdR sorgfältig beschrieben werden. Dieses System müssen auch wir benutzen. (Es scheint, dass Tolkien es tatsächlich vom Lateinischen übernommen hat!)

Wörter mit nur einer Silbe, wie nat "Ding", stellen naturgemäß kein Problem dar; die eine Silbe ist der einzige Kandidat für die Betonung.

Die einfachsten mehrsilbigen Wörter, bestehend aus zwei Silben, sind ebenfalls unproblematisch: Im HdR-Anhang E notierte Tolkien, dass "bei Wörtern mit zwei Silben [die Betonung] in praktisch allen Fällen auf die erste Silbe entfällt". Die Formulierung impliziert, dass es einige wenige Ausnahmen geben mag; die einzige bekannte scheint das Wort avá "(tu es) nicht!" zu sein, welches auf der letzten Silbe betont wird: "a". (Selbst dieses Wort existiert auch in der alternativen Version áva, nach der normalen Regel auf der ersten Silbe betont: "ÁVa".) Den Namen des Gesegneten Reichs, Aman, hört man manchmal auf der zweiten Silbe betont - die korrekte Betonung muss jedoch "AMan" lauten, wenn wir die von Tolkien aufgestellten Regeln beachten. ("AmAN" wäre Amman, die Hauptstadt von Jordanien!)

Längere Wörter mit drei oder mehr Silben sind ein wenig komplexer, wenn es um die Betonung geht. Viele von ihnen werden auf der vorletzten Silbe betont. In manchen Fällen ist die vorletzte Silbe jedoch nicht "geeignet", die Betonung zu erhalten: Diese Silbe kann niemals betont werden, wenn sie kurz ist. Woran können wir nun eine kurze Silbe erkennen?

Wenn sie keinen langen Vokal (keinen Vokal mit einem Akzent wie z.B. á, é...) enthält, ist dies fraglos ein Hinweis; dann ist der Vokal selbst kurz. Wenn dieser kurze Vokal von nur einem einzigen Konsonanten gefolgt wird, oder gar von überhaupt keinem Konsonanten, hat diese Silbe wenig Chancen, die Betonung zu erhalten. Die einzige Gelegenheit, sich dennoch als lange Silbe zu entpuppen, ist die, statt eines einzigen kurzen Vokals einen der Quenya-Diphthongs zu enthalten: ai, au, eu, oi, ui oder iu. Zwei zu einem Diphthong verbundene Vokale zählen, als hätten sie dieselbe "Länge" wie ein regulärer langer Vokal (á, í...).

Gibt es jedoch keinen Diphthong, keinen langen Vokal oder selbst keinen kurzen Vokal gefolgt von mehr als einem Konsonanten, so ist die Silbe unwiderruflich kurz. Wenn sie die vorletzte Silbe in einem drei- oder mehrsilbigem Wort ist, hat sie alle Chancen auf eine Betonung verwirkt. In einem solchen Fall bewegt sich die Betonung einen Schritt nach hinten und entfällt auf die drittletzte Silbe (völlig gleichgültig, wie diese Silbe wiederum aussehen mag). Tolkien schrieb, dass Worte von solcher Gestalt "in den Sprachen der Eldar favorisiert werden, besonders im Quenya." Beispiele:

Ein Wort wie  vestalë "Hochzeit" wird "VESTalë" betont. Die vorletzte Silbe kann keine Betonung empfangen, da ihr Vokal (a) kurz ist und nur von einem einzigen Konsonanten (l) gefolgt wird; also rückt die Betonung eine Stufe weiter zurück, zur drittletzten Silbe. Manchmal höre ich, wie Leute die Pluralformen Teleri (die See-Elben) und Istari (die Zauberer) falsch betonen: "TeLERi", "IsTARi"; Tolkiens Regeln zufolge müssen wir annehmen, dass er stattdessen "TELeri", "ISTari" vorsieht. Die kurze, vorletzte Silbe in den beiden Wörtern kann nicht betont werden.

Ein Wort wie Eressëa (der Name einer Insel nahe des Gesegneten Reiches) wird von manchen gern auf der vorletzten Silbe betont (in bester Tradition des Betonungsmusters wie in "Eritrea"!). Doch da in Er-ess-ë-a die vorletzte Silbe lediglich ein kurzes ë ohne eine anschließende Konsonantengruppe ist (tatsächlich sogar ohne einen einzigen Konsonanten überhaupt), kann sie nicht betont werden, und die Betonung wandert zur vorhergehenden Silbe: "ErESSëa". Andere Wörter nach demselben Muster (kurzer Vokal, gefolgt von keinem Konsonanten an vorletzter Position): Eldalië "die Völker der Elben" ("ElDAlië" – obwohl das Wort Elda "Elb" allein natürlich "ELda" betont wird), Tilion "Der Gehörnte", Name eines Maia ("TILion"), laurëa "golden" ("LAURëa"), Yavannië "September" ("YaVANNië"), Silmarillion "[Die Geschichte] von den Silmaril" ("SilmaRILLion").

Doch obwohl solche Wörter "favorisiert" werden, herrscht ganz gewiss kein Mangel an Beispielen, bei denen sich die vorletzte Silbe für die Betonung eignet:

Vardas Titel Elentári "Sternen-Königin" wird "ElenTÁRi" betont, da der Vokal á in der vorletzten Silbe lang ist. (Wäre das a kurz, so hätte es nicht betont werden können, da es nicht von mindestens zwei Konsonanten gefolgt wird. Stattdessen wäre die drittletzte Silbe betont: "ELENtari" - ein solches Wort existiert jedoch nicht.) Die Namen  Númenórë, Valinórë sind entsprechend auf dem langen ó auf der vorletzten Silbe betont (während bei den Kurzformen Númenor, Valinor die Betonung auf die drittletzte Silbe entfallen muss: NÚMenor, VALinor).

Worte wie  hastaina "verdorben" oder Valarauco "Macht-Dämon" (Sindarin Balrog) werden "hasTAINa", "ValaRAUCo" betont - da die Diphthongs ai, au wie lange Vokale gewertet werden, sofern es die Betonung betrifft.

Die Namen Elendil und Isildur werden "ElENDil" und "IsILDur" betont, da der Vokal der vorletzten Silbe zwar kurz ist, dafür jedoch von mehr als einem Konsonanten gefolgt wird (namentlich von den Gruppen nd, ld). Ein doppelter Konsonant hätte hier denselben Effekt wie ein Cluster unterschiedlicher Konsonanten; z.B. wird Elenna ("Sternwärts", ein Name Númenors) "ElENNa" betont. (Im Kontrast dazu das Adjektiv elena "stellar, von den Sternen": es muss "ELena" betont werden, da die vorletzte Silbe "en" kurz und damit ungeeignet ist, eine Betonung zu erhalten - im Gegensatz zur langen Silbe "enn" in Elenna.)

Beachten Sie, dass der einzelne Buchstabe x die zwei Konsonanten ks repräsentiert. Daher wird ein Wort wie Helcaraxë (ein Ortsname) "HelcarAXë" ausgesprochen (nicht "HelCARaxë" als ob nur ein einziger Konsonant dem kurzen a der vorletzten Silbe folgte). Vgl. die alternative Schreibweise  Helkarakse in den Etymologies, Eintrag KARAK.

Wie schon an anderer Stelle angesprochen, sollen manche Kombinationen offensichtlich als einzelne Konsonanten verstanden werden: qu (für cw/kw) repräsentiert das labialisierte k, nicht k + w. Ähnlich sind ny, ty, ly, ry palatalisierte n, t, l, r (das erste = das spanische ñ). Doch in der Wortmitte, bei Fragen der Betonung, scheint es, dass qu, ly, ny, ty etc. als Konsonantengruppen zählen (doppelte Konsonanten oder Cluster - wir können nicht sicher sein, welches Tolkien hier genau meinte). In WJ:407 zeigte Tolkien auf, dass das  zusammengesetzte Wort ciryaquen "Seemann" (aus cirya "Schiff" + -quen "Person") "cirYAquen" betont wird. Wenn qu (= cw/kw) hier als ein einziger Konsonant (das labialisierte k) gedacht wäre, so folgte dem kurzen a keine Konsonantengruppe, und eine Betonung auf dieser Silbe wäre unmöglich: das Wort hätte stattdessen "CIRyaquen" gelautet. Also steht qu an dieser Stelle für den Cluster k + w, oder es repräsentiert ein langes oder doppeltes, labialisiertes k (oder gar ein labialisiertes kw gefolgt von einem w).

Die Quintessenz hiervon lautet: betone "cirYAquen" und sei versichert, dass der Rest lediglich akademische Haarspalterei ist. Ein paar weitere Wörter, die diese Konstellation aufweisen: Elenya (der erste Tag der sechstägigen Woche der Eldarin, betont "ElENya"), Calacirya oder Calacilya (ein Ort im Gesegneten Reich, betont "CalaCIrya", "CalaCIlya").

Ein paar warnende Worte zum Akzentzeichen: Beachten Sie, dass der Akzent, der über Vokalen erscheinen mag (á, é, í, ó, ú), lediglich anzeigt, dass der betreffende Vokal lang ist. Während dieser Akzent in einigen europäischen Sprachen eine betonte Silbe markiert, gilt dies nicht für die normale Rechtschreibung in Tolkiens Quenya. (Einigen mag aufgefallen sein, dass Pokémon ebenfalls nicht auf dem é betont wird.) Ein langer Vokal wird oft die Betonung erhalten, wie im Beispiel Elentári weiter oben, aber nicht zwingend: Wenn der lange Vokal nicht an vorletzter Stelle auftritt, ist seine Länge (und damit auch das Akzentzeichen) für die Betonung vollkommen unwichtig. In einem Wort wie Úlairi, dem Quenya-Namen für die Ringgeister oder Nazgûl, fällt die Betonung auf den Diphtong ai, nicht auf das ú. Die Schreibweise palantír hat viele fehlgeleitet und dazu gebracht, das Wort auf "tír" zu betonen. Hier ist etwas, das Ian McKellen, der Darsteller des Gandalf in Peter Jacksons HdR-Film schrieb, als der Film gedreht wurde:
…Ich muss eine neue Aussprache lernen. Die ganze Zeit lang haben wir "palanTÍR" gesagt statt der altenglischen Betonung auf der ersten Silbe. Gerade als das Wort auf den Soundtrack gebracht werden sollte, kam eine Korrektur von Andrew Jack, dem Dialect Coach; er brachte mir den Norfolk-Akzent für Restauration bei, und beim  HdR überwacht er Akzente, Sprachen und alles Vokale. Palantír, genaugenommen ein Wort elbischer Herkunft, solle Tolkiens Regel folgen, nach der die Silbe vor einem doppelten Konsonanten betont werde - "paLANTír", was ähnlich wie "lantern" [Anm.d.Übers.: englisch für "Laterne"] klingt...
Andrew Jack hatte recht. Palantír kann nicht auf der letzten Silbe betont werden; praktisch kein einziges mehrsilbiges Wort des Quenya würde auf diese Art ausgesprochen (wie ich oben sagte bildet avá "(tu es) nicht!" die einzige bekannte Ausnahme). Stattdessen erhält das a der vorletzten Silbe die Betonung, da es vom Konsonantencluster nt gefolgt wird (ich sollte dies nicht einen "doppelten Konsonanten" nennen, wie McKellen es tut, da ich mir diesen Begriff für die Gruppe von zwei identischen Konsonanten aufheben möchte: tt oder nn -  zu Betonungszwecken machen Doppelkonsonanten und Konsonantencluster jedoch keinen Unterschied). Es heißt tatsächlich "palANTír". (Aber bei der Pluralform palantíri, in der das lange í plötzlich in der vorletzten Silbe auftaucht, erhält es die Betonung: "palanTÍRi".)

 

Im Fall von langen Wörtern, welche auf zwei kurze Silben enden, kann die letzte eine weichere sekundäre Betonung erhalten. Im Wort hísimë "Nebel" fällt die Hauptbetonung auf hís, jedoch ist die letzte Silbe - nicht völlig unbetont. Diese sekundäre Betonung ist wohlgemerkt viel weicher als die Hauptbetonung. (Nichtsdestotrotz schrieb Tolkien, dass zum Zweck der Poesie die sekundäre Betonung metrisch benutzt werden darf: RGEO:69.)

Zum Schluss noch eine Anmerkung über einen recht unbekannten Sachverhalt: Wie schnell sollte man reden, wenn man Quenya spricht? Die wenigen Aufnahmen, in denen Tolkien Quenya spricht, sind in diesem Punkt nicht zuverlässig; er spricht unvermeidlich sehr vorsichtig und sorgfältig. Über Fëanors Mutter Míriel schreibt er jedoch, dass "sie schnell sprach und stolz auf ihre Fertigkeit darin war" (PM:33). Folglich ist schnelles Quenya gutes Quenya. Wenn Tolkien dazu noch notierte, dass "die Elben beachtlichen Gebrauch von ...begleitenden Gesten machten" (WJ:416), erkannt man seine große Liebe für das Italienische – siehe Letters:223.

Zusammenfassung

Die Vokale des Quenya lauten a, e, i, o, u. Lange Vokale werden durch einen Akzent gekennzeichnet: á, é etc. Die Vokale sollen rein klingen, d.h. wie in der deutschen, oder besser noch, der italienischen Aussprache (und keinesfalls wie im Englischen). Die langen Laute á und é sollen deutlich geschlossener sein als die kurzen a, e. Manche Vokale können eine Diaresis (waagerechter Doppelpunkt über dem Buchstaben) erhalten; dies beeinflusst nicht ihre Aussprache, sondern erinnert Personen, die an ein englisches Schriftbild gewöhnt sind, aufeinanderfolgende Vokale nicht zu verschmelzen. Jede Diaresis ist optional, d.h. sie kann auch weggelassen werden. Ich finde, dass die Diaresis - da Tolkien sie an so vielen Stellen selbst benutzte - das Schriftbild des Quenya geprägt hat und viel zu seiner Eleganz und Exotik beiträgt.

Die Diphthongs sind ai, oi, ui und au, eu, iu.

Der Konsonant c wird stets wie k ausgesprochen ( Celeborn also nicht wie Zeleborn, sondern Keleborn).

L soll klar, dental ausgesprochen werden (wiederum ähnlich dem Deutschen; dabei sollte im Quenya idealerweise die Zungenspitze die oberen Schneidezähne berühren; keineswegs sollte das Quenya-l so weit hinten im Gaumen liegen wie im englischen will!)

R wird immer mit der Zunge gerollt. Das kehlige r im Deutschen und Französischen klingt in Elbenohren abstoßend. Tatsächlich scheint es der orkischen Sprachfamilie zugeordnet zu sein (womit dann auch alles gesagt sein dürfte).

S ist immer stimmlos, wie im Deutschen dass, niemals wie in Sonne! (tasar wird also taßar ausgesprochen, allerdings mit kurzem s)

Y wird nur konsonantisch gebraucht, wie das deutsche j. Man vermeide unbedingt, y wie ü auszusprechen.

Idealerweise sollten die Konsonanten t, p, c unaspiriert sein.

Palatalisierte Konsonanten werden durch Digraphen mit -y notiert (ty, ny etc).

Labialisierte Konsonanten werden gewöhnlich durch Digraphen mit -w umschrieben (z.B. nw; Ausnahme: statt cw wird im Quenya aus ästhetischen Gründen immer qu geschrieben. Dies gilt jedoch nur für das Schriftbild, in der Aussprache bleibt cw erhalten.)

H wird wie im Deutschen ausgesprochen. Es gibt jedoch eine Reihe von Ausnahmen:

Die Kombination ht wird cht ausgesprochen (wie in Macht), wenn ein "dunkler" Vokal (a, o, u) unmittelbar vorangeht. Ist der vorangehende Vokal hell (i, e), so wird ht zu cht wie in nicht. Beim lauten Sprechen merkt man deutlich den Unterschied zwischen den beiden ch-Lauten.

Die Kombination hy wird immer mit ch wie in ich ausgesprochen (hyarmen also als charmen; ch wie ich ohne das i, keinesfalls wie in Bach!)

Die Kombination hw steht für ein stimmloses w (wie im amerikanischen Englisch wh).

Die Kombinationen hl und hr repräsentierten ursprünglich ein stimmloses l bzw r. Seit dem Dritten Zeitalter werden sie jedoch wie die gewohnten Laute l und r ausgesprochen.

Die Betonung entfällt bei zweisilbigen Worten in fast allen Fällen auf die erste Silbe (Valar wird folglich VAlar ausgesprochen). Besteht das Wort aus mehr als zwei Silben, so entfällt die Betonung auf die vorletzte Silbe, wenn diese lang ist. Eine Silbe gilt als lang, wenn sie entweder einen langen Vokal (á,é...) oder einen Diphthong (au, iu...) enthält, oder wenn der (kurze) Vokal von mehr als einem Konsonant gefolgt wird. (Isildur wird also iSILdur ausgesprochen; nicht vergessen, dass das s stimmlos ist!). Wenn die vorletzte Silbe kurz ist (also keines der drei genannten Kriterien erfüllt), so entfällt die Betonung stets auf die drittletzte Silbe, egal ob diese nun lang oder kurz ist.


Übungen

Soweit es Feinheiten in der Aussprache betrifft, kann ich leider keine Übungen anbieten; wir befinden uns nicht in einem Klassenraum, ich kann Ihre Aussprache nicht hören.

Im Hinblick auf die Betonung und den Gebrauch des h ist es jedoch möglich, Übungen zu erstellen.

 

1.     Bestimmen Sie, auf welchen Vokal (Einzelvokal oder Diphthong) in den unten stehen Wörtern die Betonung entfällt. (Es ist nicht notwendig, Anfang und Ende der gesamten betonten Silbe zu bestimmen.)

A. Alcar ("Ruhm")
B. Alcarë (längere Form von "Ruhm")
C. Alcarinqua ("ruhmreich")
D. Calima ("strahlend")
E.Oronti ("Berge")
F. Únótimë ("unzählbar, zahllos")
G . Envinyatar ("Erneuerer")
H. Ulundë ("Flut")
I. Eäruilë ("Seegras")
J. Ercassë ("Stechpalme")

 

2.     Wo der geschriebene Buchstabe h auftritt, kann er im Quenya unterschiedlich ausgesprochen werden. Wenn man die Digraphen hw und hy außer Acht lässt, gibt es die Varianten:

A)   ein "gehauchtes" h wie im Deutschen hoch
B)   ch wie in ich
C)   ch wie in Bach (in Lautschrift: [x])
D)   das h wird überhaupt nicht gesprochen, sondern zeigt lediglich an, dass der folgende Konsonant im archaischen Quenya stimmlos war

Ordnen Sie die unten stehenden Wörter den vier Gruppen A, B, C, D zu:

K. Ohtar ("Krieger")
L. Hrávë ("Fleisch")
M. Nahta ("ein Biss")
N. Heru ("Herr, Lord")
O. Nehtë ("Speerspitze")
P. Mahalma ("Thron")
Q. Hellë ("Himmel")
R. Tihtala ("blinkend")
S. Hlócë ("Schlange")
T. Hísië ("Nebel")

Die Auflösungen (schriftlich und als Hörbeispiel) finden sie hier.

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