Die Geschichte des Quenya

 

Finrod wird an seinen Schwur erinnert - Eissmann

 

Tolkien und Quenya

Quenya, ursprünglich "Qenya" geschrieben, geht mindestens zurück auf das Jahr 1915. Es scheint, dass der 23jährige Tolkien in eben jenem Jahr das "Qenya Lexicon" zusammenstellte, eine der allerersten elbischen Wortlisten (siehe LT1:246). Unzählige Überarbeitungen sowohl der Grammatik als auch des Vokabulars trennen das früheste "Qenya" von der mehr oder weniger vollendeten Form, die im Herrn der Ringe gesprochen wird, doch der generelle, klangliche Stil war von Anfang an präsent. Das nahezu reife Quenya entwickelte sich Schritt für Schritt in den Dreißigern, kleinere Überarbeitungen erfolgten sogar noch während das Manuskript des HdR verfasst wurde; so z.B. die Abänderung der Genitiv-Endung von -n zu -o. In der zweiten, überarbeiteten Version des HdR gibt es ebenfalls einige Veränderungen, als Tolkien beispielsweise entschied, dass das Wort vánier in Galadriels Klage besser avánier lauten solle.

Zeit seines Lebens feilte Tolkien an der hochelbischen Sprache, welche laut Sohn Christopher “Sprache, wie er sie sich wünschte, die Sprache seines Herzens” war (aus dem Fernsehbericht J.R.R. Tolkien – A Portrait von Landseer Productions). Tolkien selbst schrieb in einem seiner Briefe: „Die archaische Sprache der Gelehrten soll eine Art ’elbisches Latein’ sein, und durch Übertragung in ein dem Latein entsprechendes Schriftbild ... wurde die Ähnlichkeit mit dem Lateinischen sichtbar vergrößert. Tatsächlich könnte man es als eine Komposition auf lateinischer Basis mit zwei anderen (Haupt-)Zutaten betrachten, dir mir ‚phonoästhetisches’ Vergnügen bereiten: Finnisch und Griechisch. Es [Quenya] ist jedoch viel weniger konsonantisch als diese drei. Diese Sprache ist das Hochelbische, oder in der eigenen Sprache Quenya (Elbisch)“ (Letters:176). Quenya war das ultimative Experiment in Sachen Wohlklang und Klangästhetik, und in den Augen vieler ein glorreicher Triumph. Die grammatikalische Struktur, welche eine große Anzahl an Fällen und Beugungen vereint, ist deutlich vom Lateinischen und Finnischen inspiriert.

Das längste Quenya-Beispiel im Herrn der Ringe ist Galadriels Klage, vgl. das Gedicht Namárië am Ende des Kapitels Abschied von Lórien. (HdR1/II, Kap. 8, beginnend mit Ai! laurië lantar lassi súrinen...) Viele Beispiele, auf die hier Bezug genommen wird, entstammen diesem Gedicht. Andere wichtige Quenya-Texte sind das Markirya-Gedicht in MC:222-223 und Fíriel´s Song in LR:72, obwohl die Grammatik des letzteren etwas vom HdR-Quenyastil abweicht; es repräsentiert eine von Tolkiens früheren „Qenya“-Varianten. (Markirya ist eine späte Komposition und voll gültig.)


   Quenya in Aman und Mittelerde

Im Vergleich zu vielen anderen elbischen Sprachen ist Quenya alt. Es bewahrt die hauptsächlichen Merkmale jener uralten Sprache, welche die Elben erfanden, als sie an den Wassern von Cuiviénen erwachten - eine Sprache mit „vielen...schönen Worten, und vielen geschickten sprachlichen Wendungen“ (WJ:422). Tatsächlich bezieht sich der Index des Silmarillion auf Quenya als „die alte Sprache, allen Elben gemeinsam in der Form, die sie in Valinor annahm“ - ganz so, als sei Quenya dem ursprünglichen Elbisch so ähnlich, dass es sich lediglich um eine spätere Form desselben handele, und nicht um eine neue Sprache. Ursprüngliches Elbisch und Quenya mögen untereinander verständlich gewesen sein, aber man sollte nicht glauben, beide Sprachen seien beinahe identisch. In Valinor unterlief die alte elbische Sprache einigen Veränderungen: „Die Veränderung... [bestand aus] der Erschaffung neuer Wörter (für alte und neue Dinge) und aus dem Aufweichen und Harmonisieren der Laute und Muster der quendischen [d.h. elbischen] Sprache, um Formen zu erschaffen, die den Noldor schöner erschienen“ (WJ:20). Die Laute b und d wurden zu v und l (oder n) am Wortanfang, finale lange Vokale wurden verkürzt, unbetonte Vokale in der Wortmitte verschwanden oft völlig und viele Konsonantencluster unterliefen eine Umstellungen oder anderen Veränderungen, mit dem Ergebnis, dass sie generell einfacher auszusprechen wurden.  Das Quenya übernahm und modifizierte außerdem ein paar Wörter aus der Sprache der Herrscher Amans - den Valar, engelgleichen Mächten, die die Welt auf Geheiß ihres Erschaffers behüteten. Die Valar ermunterten die Elben ihrerseits, „neue Worte nach ihrer eigenen Vorstellung zu erschaffen, oder... die Bedeutung von Namen in schöne elbische Formen zu übersetzen“ anstatt die Worte des Valarin unverändert zu übernehmen (WJ:405). Es wird gesagt, die Noldor seien „wechselhaft in der Sprache, denn sie hegten eine große Liebe für Worte und suchten immer mehr Namen zu finden, die passend waren für alle Dinge, die sie sich vorstellen konnten“ (Silm., Kap. 5).

In Aman, dem Gesegneten Reich der Valar, wurde Quenya nicht nur von den Vanyar und Noldor gesprochen, sondern auch von den Valar selbst: nach der Ankunft der Elben scheinen „die Valar ... das Quenya schnell übernommen zu haben“, und ihre eigene Sprache, das Valarin, wurde nur selten von den Eldar vernommen: „Tatsächlich wird gesagt, man habe die Valar und Maiar untereinander oft Quenya sprechen hören können“ (WJ:305). Pengolodh der Weise von Gondolin hält fest: „In den Geschichten werden die Valar stets als Quenya sprechend dargestellt, unter allen Umständen. Doch dies kann nicht herrühren von der Übersetzung durch die Eldar, von denen nur wenige des Valarin mächtig waren. Die Übersetzung muss von den Valar oder Maiar selbst gemacht worden sein. Tatsächlich müssen diejenigen Geschichten oder Legenden, die die Zeit vor dem Erwachen der Quendi beschreiben ... zu Anfang in Quenya berichtet worden sein, als die Valar oder Maiar sie sie den Elben lehrten.“ Er führt das Ainulindalë als Beispiel an: “Es muss uns am Anfang nicht nur mit den Worten des Quenya erzählt worden sein, sondern auch gemäß unserer Denkweise.“ Sogar Melkor erlernte Quenya, und er lernte es gut. „Ach,“ schreibt Pengolodh, „in Valinor nutzte Melkor das Quenya so meisterhaft, dass alle Eldar erstaunt waren, denn seine Fertigkeit konnte nicht verbessert, ja sogar kaum erreicht werden von den Dichtern und Gelehrten.“ (VT39:27)

Als Rúmil die Schriftzeichen erfand, wurde Quenya die erste schriftlich fixierte Sprache (Silm., Kap. 6, HdR, Anhang F). Doch außerhalb des Gesegneten Reiches von Aman wäre Quenya niemals bekannt geworden, wäre es nicht im Ersten Zeitalter zur Rebellion der Noldor gekommen. Die meisten dieses Clans verließen Aman, gingen ins Exil nach Mittelerde und brachten so die hochelbische Sprache mit sich. In Mittelerde übertraf die Anzahl der dortigen Sindar, der Grauelben, die der Noldor bei weitem; erstere sprachen eine zwar deutlich verwandte, jedoch recht unterschiedliche Sprache. Die Sprache der Sindar hatte schon damals die Beugung der Fälle längst fallengelassen, welche im Quenya noch immer erhalten geblieben war, und der allgemeine Klang beider Sprachen unterschied sich sehr – Quenya besaß einen sehr viel vokalreicheren Klang als Sindarin und schränkte die Verwendung der stimmhaften Stopplaute b, d, g extrem ein, im Gegensatz zum Sindarin, welches von diesen Lauten viel Gebrauch machte. Wie sich herausstellte, „lernten...die Noldor rasch die Sprache Beleriands [d.h. Sindarin] , während die Sindar langsam im Meistern der Sprache Valinors [d.h. Quenya] waren“. Zwanzig Jahre nach Ankunft der Noldor im Mittelerde war „die Sprache der Grauelben die gebräuchlichste, selbst unter den Noldor“ (Silm., Kap. 13). Als König Thingol von Doriath schließlich erfuhr, dass die Noldor viele seiner Verwandten unter den Teleri ermordet und deren Schiffe gestohlen hatten, um Valinor verlassen zu können, verbot er das Quenya in seinem Reich. Folglich „übernahmen die Exilanten das Sindarin für ihren täglichen Gebrauch, und die Hohe Sprache des Westens wurde nur noch von den Fürsten der Noldor untereinander gesprochen. Doch wo immer jemand dieses Volkes war, lebte die Sprache fort als eine Sprache der Gelehrten“ (Silm., Kap. 15).

So überlebte das Quenya, selbst im finsteren Ersten Zeitalter. Das Vokabular wurde sogar erweitert: Die Noldor übernahmen und passten einige Wörter aus anderen Sprachen an, so wie Casar „Zwerg“ aus dem Zwergischen Khazad und certa „Rune“ aus dem Sindarin certh (WJ:388, 396). Einige schon gebräuchliche Wörter entwickelten neue oder abgeänderte Bedeutungen im Exilquenya; so z.B. urco, ein Wort, das im valinorischen Quenya gebraucht wurde für „alles, was den Elben Furcht einflößte, jede zweifelhafte Gestalt oder Schatten oder herumstreichende Kreatur“, überliefert aus den alten Sagen vom Marsch von Cuiviénen. Im Exilquenya hingegen wurde urco als Entsprechung des Sindarin-Wortes orch verstanden und dessen Bedeutung angepasst; daher lautete die Bedeutung von urco ab diesem Zeitpunkt einfach „Ork“ (WJ:390; die vom Sindarin beeinflusste Form orco war ebenfalls gebräuchlich). Als die Edain in Beleriand eintrafen, lernten sie nicht nur Sindarin, sondern auch „bis zu einem gewissen Grad Quenya“ (WJ:410). Obgleich Quenya „niemals eine lebende Sprache unter Menschen war“ (Plotz Letter), wurden hochelbische Namen wie Elendil beliebt unter den Edain. Túrin gab sich selbst den Quenya-Namen Turambar „Herr des Schicksals“, und seine Schwester Nienor rief einige hochelbische Worte, bevor sie sich selbst tötete (Silm., Kap. 21).

Es gibt zahlreiche Belege dafür, dass das Quenya von den Exil-Noldor bewahrt und gebraucht wurde: Als Turgon seine versteckte Stadt errichtete, „bestimmte er, sie solle den Namen Ondolindë tragen, in der Sprache der Elben von Valinor“, obwohl die Sindarin-Ableitung Gondolin letztendlich der bekanntere Name der Stadt wurde. Selbst innerhalb Gondolins wurde Quenya für die meisten „zu einer Buchsprache ... und wie die anderen Noldor gebrauchten sie im Alltag das Sindarin“. Nichtsdestoweniger vernahm Tuor die Wache von Gondolin “in der Hohen Sprache der Noldor“ rufen, „welche ihm nicht bekannt war“. Es ist ebenfalls überliefert, dass „Quenya in Turgons Haus alltäglich gebraucht wurde und die Sprache der Kindheit Eärendils war“ (UT:44,55). PM:348 bestätigt, dass „Turgon nach seiner Gründung der geheimen Stadt Gondolin Quenya als Alltagssprache in seinem Haushalt wiedereinführte“. Aredhel verließ Gondolin und wurde von Eöl gefangen genommen, dem sie einen Sohn gebar, und „in ihrem Herzen gab sie ihm einen Namen in der verbotenen Sprache der Noldor, Lómion, was Kind des Zwielichts heißt“ (Silm., Kap. 16). Eöl rief seinen Sohn später bei dem Sindarin-Namen Maeglin, doch Aredhel „lehrte Maeglin die Sprache Quenya, obgleich Eöl es verbat“ (WJ:337).

Jedoch unterlief das Quenya, so wie es von den Exilanten gesprochen wurde, früh einigen Veränderungen, wahrscheinlich bevor Thingols Edikt gegen seinen Gebrauch alle linguistischen Änderungsprozesse einfror. In einem Brief an Dick Plotz beschrieb Tolkien die Nomen-Deklination einer alten Quenyaform, dem sogenannten „Buch-Quenya“. Tolkien schrieb, dass „so weit [sterblichen] Menschen bekannt - den númenorischen Gelehrten und denen, die [bis zum Dritten Zeitalter] in Gondor überlebten - diese Formen zur Niederschrift gebraucht wurden“. Doch er führt weiter aus: „Quenya als eine gesprochene Sprache veränderte sich bis zu einem gewissen Grad unter den Noldor, bis es aufhörte, als Muttersprache zu existieren [d.h. schon früh während des Exils]... In dieser „umgangssprachlichen“ [d.h. leicht veränderten] Form wurde es weiterhin unter den Elben noldorischer Abstammung gesprochen, doch blieb es [ab dieser Zeit]  unverändert, da jede Generation es von neuem aus den Schriften lernte.“ Dies scheint zu implizieren, dass auch die „umgangssprachliche“ Form des Quenya niedergeschrieben werden konnte, und dass jede Generation aufs Neue aus diesen Schriften Quenya erlernte. Dies waren also die Schriften der Noldor während ihres Exils, nachdem ihre Sprache ein wenig vom amanischen Quenya abgewichen war (zum Beispiel durch den Verlust des Akkusativ-Falls): „Die Bedingungen des Exils...machten es notwendig, viele Werke aus Lied und Dichtung von Neuem aus dem Gedächtnis niederzuschreiben“ (PM:332). Die númenorischen Gelehrten mögen eine archaischere Form aufgegriffen haben, da sie nicht nur mit den Noldor im mittelerdischen Exil in Kontakt standen, sondern auch mit den Eldar aus Eressëa und Valinor. Heutzutage gebrauchen die meisten kein Buch-Quenya, sondern die hochelbische Variante der exilierten Noldor, die Sprache der Klage Galadriels (HdR1/II Kap. 8).

Das Erste Zeitalter endete im Krieg des Zorns. Zu Beginn des Zweiten Zeitalters kehrten viele Noldor zurück nach Aman, „doch einige streiften manches Zeitalter lang durch Mittelerde“ (Silm. Kap. 24). Daher bewohnten immer noch Quenya-Muttersprachler die Diesseitigen Lande. Sogar ihr größter Feind nahm einen Quenya-Namen an, als er den Elben in schöner Gestalt erschien, um sie zu täuschen: Annatar, Herr der Gaben (Von den Ringen der Macht im Silm.). Sein wahrer Name stammte ebenfalls aus dem Quenya, doch man kann gut verstehen, weshalb er ihn nicht liebte: Sauron, der Abscheuliche (siehe Silm. Index). Später gaben die Schmiede Eregions ihren größten Werken Quenya-Namen: Narya, Nenya und Vilya, die größten Ringe der Macht mit Ausnahme des Einen Rings.

Die Geschichte des Zweiten Zeitalters wird dominiert von der Sage Númenors, der großen Insel, welche den Edain von den Valar bereitet worden war. Ursprünglich waren alle Edain Elbenfreunde, und die meisten beherrschten das Sindarin (obgleich die Alltagssprache der Númenórer das Adûnaisch war, eine menschliche Sprache). Uns wird berichtet, dass „die großen Gelehrten unter ihnen auch die hochelbische Sprache des Gesegneten Reichs lernten, in welcher viele Geschichten und Lieder vom Anbeginn der Welt überliefert wurden... So geschah es, dass jeder Herrscher Númenors neben seinem eigenen auch einen elbischen Namen trug [Quenya und/oder Sindarin]; ebenso alle Städte und schönen Orte, welche sie in Númenor gründeten und an den Küsten der diesseitigen Lande“ (Akallabêth). Beispiele für Quenya-Namen in der númenórischen Kultur sind Meneltarma, Armenelos, Rómenna und der Name Númenor selbst. Doch blieb es  dabei, dass „Quenya keine gesprochene Sprache in Númenor war. Sie war nur den Gelehrten und den Familien hoher Abstammung bekannt, denen es schon in früher Jugend gelehrt wurde. Sie wurde in den offiziellen Dokumenten zur Überlieferung gebraucht: in den Gesetzen ... und den Annalen der Könige. In häufigem Gebrauch stand es auch in der Namensgebung: die offiziellen Namen aller Plätze, Landstriche und geografischer Merkmale des Landes waren in Quenya gehalten (obgleich es für gewöhnlich auch lokale Namen mit gleicher Bedeutung gab, entweder auf Sindarin oder Adûnaisch [Númenorisch]). Die Personennamen aller Mitglieder der Königsfamilie, insbesondere die offiziellen und öffentlichen Namen, und die der ganzen Linie Elros` standen im Quenya“ (UT:216). Die Könige nahmen Quenya-Namen an, da das Hochelbische „die edelste Sprache der Welt“ war (UT:218). Doch die Zeiten sollten sich ändern.

Als die Númenorer begannen, den Elben die Unsterblichkeit zu neiden, erkaltete die Freundschaft mit Aman unaufhaltsam. Und als der zwanzigste König Númenors im Jahre 2899 des Zweiten Zeitalters den Thron bestieg, brach er mit der Tradition und ergriff das Szepter unter einem adûnaischen Namen: Ar-Adûnakhôr, Herr des Westens. In seiner Regierungszeit „wurden die Elbensprachen nicht länger gesprochen, noch war es erlaubt, sie zu lehren, doch im Geheimen wurden sie von den Getreuen bewahrt; und die Schiffe aus Eressëa kamen hernach selten und nur im Verborgenen an die Westküsten Númenors“ (UT:222). 3102 wurde Ar-Gimilzôr dreiundzwanzigster König, und „verbat den Gebrauch der elbischen Sprachen ganz und gar, erlaubte keinem der Eldar, das Land zu betreten und bestrafte jene, die sie willkommen hießen“ (UT:223). Tatsächlich wurden „die elbischen Sprachen den rebellierenden Königen zugesprochen, allein der Gebrauch des Adûnaischen war erlaubt, und viele der alten Bücher in Sindarin oder Quenya wurden vernichtet“ (PM:315).

Gimilzôrs Sohn Inziladûn jedoch erwies sich als gänzlich verschieden, als er im Jahre 3177 den Thron bestieg (oder 3175 laut einer abweichenden Quelle – siehe UT:227). Er entsagte den Wegen seiner Vorgänger und nahm gemäß der alten Traditionen wieder einen Quenya-Namen an: Tar-Palantir, der Weitsehende. Tar-Palantir „wäre zur Freundschaft der Eldar und der Herren des Westens zurückgekehrt“, doch war es bereits zu spät (UT:223). Sein einziges Kind, eine Tochter, nannte er auf Quenya Míriel. Nach seinem Tode 3255 hätte sie regierende Königin sein sollen, doch wurde sie  zur Hochzeit mit Pharazôn gezwungen, dem Sohn Gimilkhâds, des Bruders von Tar-Palantir. Gegen ihren Willen nahm sie Pharazôn zur Gemahlin, um den Thron Númenors zu an sich zu reißen. Natürlich mochte er ihren Quenya-Namen nicht und änderte ihn ins adûnaische Zimraphel ab. Stolz und anmaßend, forderte Ar-Pharazôn Sauron in Mittelerde heraus. Der tückische Maia täuschte listig seine Aufgabe vor, worauf ihn Pharazôn „in der Torheit seines Stolzes ... als Gefangenen nach Númenor zurückbrachte. Nach allzu kurzer Zeit hatte er [Sauron] den König behext und war Herr seiner Ratschlüsse; und bald hatte er die Herzen aller Númenorer zur Finsternis zurückgewendet, mit Ausnahme derer der Getreuen“ (HdR, Anhang A). Sauron ließ den König glauben, er könne Unsterblichkeit erringen, wenn es ihm gelänge, Aman der Herrschaft der Valar zu entreißen, und schließlich versuchte Pharazôn, das Gesegnete Reich zu überfallen. Wie Sauron sehr wohl wusste, konnten die Númenorer niemals die Mächte des Westens besiegen, und wie er es vorhergesehen hatte, wurde Pharazôns Armada vollständig versenkt. Was Sauron jedoch nicht vorhergesehen hatte, war, dass die Valar den Einen selbst anrufen würden, und dass Er Seine Kräfte gebrauchen würde, um das Angesicht der gesamten Welt zu ändern. Das Gesegnete Reich wurde von der sichtbaren Welt ins Reich des Verborgenen entrückt, und mit ihm entschwanden alle Muttersprachler des Quenya mit Ausnahme derjenigen Noldor, welche noch auf Mittelerde wandelten. Númenor selbst versank in den Fluten, und wir werden niemals erfahren, wie viele in Quenya verfasste Bücher mit ihm in der tiefen See entschwanden. Die versunkene Insel bekam neue hochelbische Namen: Mar-nu-Falmar, Land (wörtlich: Heimstatt) unter den Wellen und Atalantë, die Gefallene.

Die einzigen Überlebenden des Untergangs waren Elendil, Isildur, Anárion und diejenigen, welche ihnen auf ihre Schiffe gefolgt waren. Wie ihre Quenya-Namen verraten, waren sie Elbenfreunde und hatten keinen Anteil an dem Aufstand gegen die Valar. In Mittelerde gründeten sie die Reiche des Exils, Arnor und Gondor. Schon bald griff Sauron Gondor an, doch in der Schlacht von Dagorlad wurde er zurückgeworfen. Nach siebenjähriger Belagerung war er gezwungen, Barad-dûr zu verlassen und wurde von den vereinten Kräften Gil-Galads, Elendils und Isildurs erschlagen, von deren dreien nur Isildur den Kampf überlebte. So endete das Zweite Zeitalter der Welt, doch die Königreiche des Exils überdauerten bis ins Dritte Zeitalter, und unter den Gelehrten Arnors und Gondors blieb das Wissen um Quenya lebendig.

Die Könige von Arnor und Gondor nahmen nunmehr Quenya-Namen an, wie die getreuen númenorischen Könige vor ihnen. (861 Jahre im Dritten Zeitalter wurde Arnor in die untergeordneten Reiche von Arthedain, Rhudaur und Cardolan aufgespaltet; die Könige dieser Reiche trugen Sindarin-Namen.) Die Truchsesse von Gondor nahmen ebenfalls Quenya-Namen an, doch nur bis zur Zeit Mardils, des ersten Regierenden Truchesesses (so genannt, da in den Jahren 2050-3019 des Dritten Zeitalters Gondor keinen König besaß, und die Truchsesse alle Verantwortung übernahmen). Mardils Nachkommen trugen keine Quenya-Namen mehr. Den Truchsessen verlangte es niemals nach der Königswürde, und vielleicht erachteten sie es daher als anmaßend, wie die Könige vor ihnen Quenya-Namen zu führen. Doch als 3019 Aragorn zum König gekrönt wurde, nahm er gemäß dem alten Brauch wieder einen Quenya-Namen an: Elessar Telcontar.
Damit begann das Vierte Zeitalter; die Letzten der Noldor bestiegen an den Grauen Anfurten die Schiffe und verließen Mittelerde auf ewig, um nach Aman zurückzukehren. Mit ihnen schwanden die letzten, die Quenya noch von Geburt an sprachen. Doch wie Gandalf Aragorn sagte, sei es nun an ihm „zu bewahren, was bewahrt werden soll“ (HdR3/VI Kap. 5) - einschließlich des Wissens um die Elbensprachen. Wir wissen, das Aragorn seinem Sohn einen hochelbischen Namen gab, Eldarion, und dieser folgte ihm nach seinem Tode im Jahr 120 des Vierten Zeitalters auf den Thron. Obgleich nicht viel über ihn bekannt ist, besteht kein Zweifel daran, dass solange das Reich Gondor überdauerte, auch Quenya in Erinnerung blieb.   


 Andere Namen für Quenya

Quenya oder Hochelbisch ist die bekannteste Sprache des Amanya-Zweigs der elbischen Sprachfamilie. In Aman gab es zwei Dialekte des Quenya, das Vanyarin und das Noldorin. Aus historischen Gründen wurde nur letzteres in Mittelerde gebraucht. Die einzige andere Sprache der Eldar, die in Aman gesprochen wurde, das Telerin, könnte ebenfalls als Dialekt des Quenya betrachtet werden, aber es wurde grundsätzlich als eigenständige Sprache behandelt und wird hier nicht besprochen.

Das Wort Quenya, im Dialekt des Vanyarin Quendya, ist ein Adjektiv, welches sich vom selben Stamm wie Quendi „Elben“ ableitet; die grundliegende Bedeutung lautet daher „elbisch, quendisch“. Das Wort Quenya wird ebenfalls mit dem Stamm quet- „sprechen“ assoziiert, und tatsächlich könnten die Stämme quet- und quen- miteinander verwandt sein: Tolkien spekulierte, dass „die älteste Form dieses mündliche Sprache bezeichnenden Stamms *KWE lautete, wovon *KWENE und *KWETE Ableitungen waren“ (WJ:392). Die elbischen Gelehrten überlieferten, dass Quendi „jene die mit Stimmen sprechen“ heißt, und gemäß Pengolodh bedeutet Quenya „Sprache, Rede“ (WJ:393). Dies könnte jedoch auch einfach die Tatsache widerspiegeln, dass Quenya die einzig bekannte Sprache war, als das Adjektiv Quend(y)an „Quendisch“ auf die elbische Sprache angewandt wurde. Später wurde das Wort Quenya exklusiv als Name für diese spezielle Sprache gebraucht, und nicht mehr als allgemeines Adjektiv „elbisch, quendisch“. Die Noldor jedoch „vergaßen nicht seine Verwandtschaft mit dem alten Wort Quendi und erachteten immer noch, dass der Name „Elbisch“ impliziere, d.h. die wichtigste elbische Sprache, die edelste, und diejenige, die den archaischen Charakter der elbischen Sprache am besten bewahrte“ (WJ:374).

Quenya wird auch parmalambë „Buchsprache“ genannt und tarquesta „Hochsprache“ (LR:172; vgl. „die Hohe Sprache der Noldor“ in UT:44). Da Quenya in Valinor entstand, könnte es ebenso Valinorisch genannt werden (HdR3/V Kap. 8) oder „die Sprache der Elben Valinors“ (Silm., Kap. 15). Nach dem Ende des Ersten Zeitalters lebten viele Elben auf der Insel Tol Eressëa, nahe der Küste Amans. Daher ist Quenya auch als „Eressëan“ (Englisch, nicht übesetzt - Anm. d. Übers.) bekannt, oder als Avallonisch nach der Stadt Avallóne auf Tol Eressëa (LR:41, SD:241). Für die Teleri Amans war Quenya Goldórin oder Goldolambë, was offenbar „Noldoisch“ bzw. „Noldo-Sprache“ heißt (WJ:375). Im Gnomischen (Tolkiens erster Versuch, die Sprache zu rekonstruieren, die später zum Sindarin wurde) lautete das Wort für Quenya („Qenya“) Cweneglin oder Cwedhrin, aber diese Wörter sind gewiss nicht mehr im reifen Sindarin gültig (Parma Eldalamberon Nr. 11, S. 28). Der Elb Glorfindel bezieht sich auf Quenya als „die Alte Sprache“ (HdR1/I, Kap. 3), und als angesehenste Sprache der Welt wird sie auch „die Hochsprache des Westens“, „das Hoch-Eldarin“ (Silm., Kap. 15, Akallabêth) oder „Altes Hochelbisch“ bezeichnet (WR:160). Von den Númenórern wurde Quenya Nimriyê oder „Nimrische Sprache“genannt, so wie die Dúnedain die Elben Nimîr nannten, die Schönen (SD:414, cf. WJ:386). Später bezieht sich Frodo auf das Quenya als „die alte Sprache der Elben jenseits der See“ und „die Sprache...der Elbenlieder“ (HdR1/II, Kap. 8). Auf Englisch gebrauchte Tolkien Bezeichnungen wie „Hochelbisch“ und „Elben-Latein“ (Letters p. 176). In Mittelerde wurde Quenya schließlich zur Sprache der Zeremonien und Gelehrsamkeit, so dass Tolkien sie mit dem Latein Europas für vergleichbar hielt.

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